Design: Holz & Leder für bessere Usability?

von Moritz Machner am 27.10.2011

In der letzten Zeit fällt auf, dass immer mehr Apps versuchen physikalische Objekte nachzubilden. Oft sieht man Texturen, wie zum Beispiel Holzhintergründe oder Menüleisten, die mit Leder oder Holz hinterlegt sind.

Neu ist diese Art von Design nicht. Schon vor mehreren Jahren wurde in der Mac Szene heftig über die sogenannte „Delicious Generation“ diskutiert. Einige App Entwickler – Apps hießen damals übrigens noch Programme – kamen auf die Idee, funktional einfache Programme mit einer sehr verspielten Oberfläche auszustatten und diese über das Design zu vermarkten.

Form follows function

Gegen eine schlanke Software habe ich ja nun nichts, ganz im Gegenteil. Wenn ein Programm schlank ist und genau das tut, was es soll, ist das doch sehr praktisch. Jedoch sollte das Design immer die Funktion unterstützen. Daraus folgt im direkten Schluss, dass eine schlanke App auch nach einem schlanken Design verlangt. Alles andere ist Spielerei und unterstützt die Funktion nicht mehr, es verkompliziert das Ganze eher.

Holz, Leder, Metall...

Heute können einem solche überflüssigen Designs in vielen Formen begegnen, so beispielsweise überflüssige Animationen oder Appklikationen die den ganzen Bildschirm einnehmen (das neue Skype), obwohl es ein kleines Kästchen auch getan hätte (das alte Skype z.B.). Wir haben es aber zur Zeit mit einem fast schon inflationären Auftreten von einem speziellen Phänomen zu tun: an reale Materialien angelehnte Hintergründe. In manchen Fällen ist ein aufwändig gestalteter Hintergrund durchaus legitim. So kann z.B. eine leichte papierähnliche oder stoffähnliche Textur hinter Text das lesen angenehmer machen oder auch einen Hintergrund von einem anderen abgrenzen, ohne dass der Kontrast zu stark wird. Hier erfüllt das Designelement durchaus eine Funktion.

Oh Wunder...

Bei vielen aktuellen Apps ist aber kein funktionaler Aspekt erkennbar. Hier geht es lediglich um verspieltes Design ohne weitere Funktion. Das die „Wunderlist“ (aus Berlin, nicht geklont), welche sich anscheinend an das Marktsegment der 14-16 Jährigen mit einem Taschengeld von 0€ richtet, dort ganz vorne mit dabei ist, wundert mich ja nun gar nicht. Aber das Apple in seiner neuen IOS Version 5 und auch in Lion massiv auf diese Elemente setzt, das ist schon sehr verwunderlich. Gerade wo die Hardware selber so clean und sauber designt ist, ja geradezu minimalistisch alles weggelassen worden ist, was nicht nützlich ist. Sogar die Standby LED verschwindet wenn das Gerät an ist. Und dann ein Kalender in hell braunem Leder? Ein Adressbuch in Papieroptik? Ein Buchregal in Holz? Es ist 2011. Leute verstehen einen Kalender auch ohne Lederrand. Also mich lenkt dieses Design nur vom Inhalt ab, braucht viel zu viel Platz auf dem Bildschirm (ja, es gibt noch Leute die mehr als ein Programm gleichzeitig benutzen). Also ich sehe hier keinerlei Unterstützung der Funktionalität oder der Usability. Ganz im Gegenteil.

Virtuelle Welten

Die klassische Moderne hatte mal das Ziel, das Design von Dingen das widerspiegeln sollte, was es ist. Oder konkret nach Dieter Rams: „Gutes Design ist ehrlich“. Es ist bei einer virtuellen Sache, welche ja aus bunten Pixeln besteht nicht immer das einfachste, aber ich denke auch hier hat sich eine entsprechende Sprache herausgebildet. Holzvertäfelung gehört garantiert nicht dazu.

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Moritz Machner

Mitbegründer von 42he. Technischer Kopf und Chefentwickler mit Passion für schlanke Designs.