Financial Times verschwindet mit seinen Apps aus dem APP Store – ist das erst der Anfang?

von Axel von Leitner am 1.9.2011

Wie verschiedene Medien berichten ist die Financial Times in den USA mit ihren Apps aus dem AppStore gegangen bzw. wurde von Apple entfernt (heise.de). Über die Gründe wird wie üblich spekuliert - irgendwo zwischen zu viel Kontrolle durch Apple und den Konditionen wird vermutlich die Wahrheit liegen.

Apple verlangt, das alle Abos und Käufe in Applikationen nicht nur außerhalb des AppStores möglich sein müssen, sondern zu gleichen Kondition im AppStore - dabei verlangt Apple dann eine Provision von 30%. Auch die Bereitstellung der Kundendaten zur Nutzung für Apple ist den Verlagen schon länger ein Dorn im Auge. Und zuletzt ist die Zensur diverser Inhalte ein Streitpunkt. Auch die deutsche BILD war Apple hier zu freizügig, so dass zensiert wurde und die App überarbeitet werden musste.

Das freie Web als offene Plattform

Die Financial Times bieten nun eine Webanwendung an, welche auf HTML5 basiert. Diese soll der iPad App schon fast gleichwertig sein und auch auf den mobilen Geräten sehr gut funktionieren.

Wie wir schon vor einiger Zeit an dieser Stelle geschrieben haben, ist das freie Web eine wichtige Plattform. Ohne diese kann ein einzelner Anbieter nicht nur die Geschäftsmodelle andere Firmen beeinflussen oder gar verhindern, zudem sind noch andere Werte wie die Pressefreiheit bedroht. Technisch gesehen ist es auch die bessere, weil universellere Technologie. “Das Web” läuft auf fast allen Geräten. Ich denke, dass dieser “AppStore” Hype in der nächsten Zeit wieder nachlassen wird und das freie Web wieder an Fahrt gewinnen wird.

Mit neuen Technologien werden die Vorteile des AppStores kleiner

HTML5 ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, aber viele Dinge welche der AppStore gut macht fehlen hier noch. Die Themen Zahlung und Abrechnung sind noch nicht vernünftig gelöst. Es müsste sicher, einfach und unkompliziert sein wie im AppStore. Und damit die Verbreitung und Akzeptanz möglichst groß ist wird sich wahrscheinlich ein Standard etablieren. Dieser sollte natürlich von möglichst vielen Anbietern / Banken unterstützt werden, so dass die Methode zur Abwicklung von jedem diskriminierungsfrei genutzt werden kann. Nicht so wie die unzähligen Zahlungsoptionen heute, die entweder an der Verbreitung bei B2B oder B2C Märkten (PayPal) oder mangelhaften Technik kranken. Es kann einfach nicht sein, dass Anbieter am Ende fünf Zahlungsarten integrieren, betreiben und bezahlen müssen. Und auch für den Käufer ist es nicht vertretbar an allen Ecken seine Zahlungsdaten zu streuen.

Der Hype vernebelt oft den Blick auf die Tatsachen

Auch die Medien sollten mal wieder zu einer ausgewogenen Berichterstattung zurückkehren und nicht den AppStore und die dort vertretenen Firmen über den Klee loben. Nicht nur, dass diese die Nachteile wie die Financial Times selber zu spüren bekommen. Auch für den Kunden ist es nachteilig. Wenn ich nächstes Jahr ein Smartphone oder Tablet von einem anderen Hersteller kaufen möchte, habe ich mit meinen Apps (und meinen Daten die ich dort nicht rausbekomme) Pech gehabt. Bei einer Webanwendung muss ich nicht einmal die Daten übertragen. Einloggen und fertig. Wenn der Hype erst vorüber ist werden die Fakten und Vorteile entscheiden.

Was tun als Startup?

Die Verlockung für Startups ist natürlich groß, Apps im AppStore statt Webanwendungen anzubieten. Einfaches Payment, ein großer Kundenkreis und eine große öffentliche Wahrnehmung durch die Medien sind die direkten Vorteile. Dafür entscheidet man sich natürlich für einen Anbieter und eine Gerätemarke, mit all den Nachteilen. Wenn dem Anbieter die App dann nach langer und teurer Entwicklung nicht gefällt, dann hat man einfach Pech gehabt und alles war umsonst. Eine Distribution außerhalb des Stores gibt es nämlich dann nicht.

Jeder der eine neues Projekt beginnt und sich die Frage nach der Plattform stellt sollte mit klarem Kopf entscheiden und nicht blind dem Trend folgen. Man sollte die Vor- und Nachteile für sein Projekt genau abwägen.

Wir sehen es darüber hinaus sicher auch noch ein bisschen ideologisch und sehen auch den volkswirtschaftlichen Vorteil einer Plattform, die jedem offen steht. Grade die Erfahrungen mit dem Microsoft Monopol bei Desktop Betriebssystemen sollte doch Warnung genug sein. Man sollte es keinem Anbieter gestatten ein neues Monopol aufzubauen. Welcher Anwender muss heute nicht noch eine Virtualisierungslösung einsetzen und eine Windowsinstallation betreiben, wenn er sich für eine andere Plattform entschieden hat? Welcher Entwickler ärgert sich nicht bis heute über die Altlasten aus dem Hause Microsoft herum? Stichwort IE6...

Aber genau das muss man wieder befürchten, wenn man Apple’s Strategie der Exklusivität und Kontrolle betrachtet. Hier wird doch klar ein Monopol mit 100%tiger Kontrolle über die Plattform, die Geräte, die Anbieter der Software und die Kunden angestrebt. Am Ende sind es die kleinen Anbieter und vor allem die Kunden, die an mangelnden Wahlmöglichkeiten und mangelndem Wettbewerb leiden.

Was denken Sie? Hype oder die Zukunft?

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Axel von Leitner

Mitbegründer von 42he. Beschäftigt sich mit den betriebswirtschaftlichen Dingen und steckt viel Herzblut in Design & Usability. Axel schreibt insbesondere über Produktivität, Design und Startup-Themen.