Usability != Verdummung des Nutzers

von Moritz Machner am 24.8.2011

Wie ich schon in meinem letzten Artikel über das neue OS X Lion von Apple geschrieben habe, wurden dort viele Änderungen an der Oberfläche gemacht, welche die Nutzung vereinfachen sollen. Dieses ist aber nicht immer der Fall. Hier offenbart sich ein häufiges Missverständnis im Bezug auf den Begriff Usability oder auch Benutzerfreundlichkeit.

Viele Ansätze in OSX sind aus der fälschlichen Interpretation des englischen „Don’t make me think“ entstanden. Der Benutzer soll nicht mehr denken. Man könnte soweit gehen und überspitzt sagen: Das Designziel von OSX Lion war die so genannte „Idiotensicherheit“. Nun fragt man sich: ist es nicht gut, dass ein Betriebssystem einfach zu bedienen ist?

Gebrauchstauglichkeit als Ziel

Das Problem an diesem obersten Ziel ist, dass der unbedarfte Nutzer nichts lernt und der fortgeschrittene Nutzer zurückgehalten wird. Eine gute Usability sollte eine intuitive Bedienung ermöglichen, welche dem Nutzer und der anstehenden Aufgabe angemessen ist. Daher trifft das deutsche Wort „Gebrauchstauglichkeit“ auch besser den Kern der Sache als das Wort „Benutzerfreundlichkeit“.

Im Idealfall, sollte der Einstieg in eine Software also intuitiv und selbsterklärend funktionieren, sie sollte dem Nutzer allerdings auch eine Lernkurve ermöglichen oder bieten. Wenn die Software dann mit den Fähigkeiten des Benutzers wächst, dann hat man einen Fortschritt. Ich möchte das mal an einem Beispiel erläutern.

Lion hat ein neues Feature mit dem Namen „ Launchpad“. Dieses imitiert quasi den Startbildschirm des iPhones oder iPads. Dort bekommt man auf mehreren Seiten seine Programme als große Icons präsentiert und kann diese starten. Wenn man auf einem Icon die Maus gedrückt hält, fangen alle Icons an zu wackeln, man kann sie umsortieren oder in Ordner zusammenfassen. Soweit so gut. Gleiches kann man mit einem normalen Ordner im System oder auf dem Desktop auch. Der Unterschied beim Launchpad ist, dass ich jedes einzelne Icon greifen muss, um es zu sortieren oder in einen Ordner zu legen. Als Anfänger wird man damit sicherlich klar kommen, aber als Fortgeschrittener Anwender würde man aber vielleicht doch gerne mehrere Elemente gleichzeitig verschieben. Im normalen Ordner geht das ohne Probleme, z.B. durch Mehrfachselektion mit dem „Gummiband“. Bei „Launchpad“ allerdings nicht. Ich habe also keine Möglichkeit meine Effizienz zu steigern um besser und schneller zu arbeiten. Apple verdonnert mich zum „Anfänger Modus“.

Apple‘s neues Design im OSX Lion zwingt also nun den User permanent mit Stützrädern Fahrrad zu fahren. Für den Anfang sicherlich eine gute Idee, aber nach einer gewissen Zeit fragt man sich was das soll. Spätestens bei der Tour de France ist es einfach nur noch lächerlich.

Es gibt übrigens eine relativ unbekannte, aber gute Designmethode die Usability zu verbessern. Allerdings ist diese im Marketing nicht sehr beliebt, weil man dann nicht mit den ganzen neuen, bunten Features werben kann. Dafür ist sie aber einfach und sehr effektiv: Funktionen, welche keinen Unterschied machen, einfach weglassen. Und da es genug Wege gibt in OS X ein Programm zu starten und diese seit 10 Jahren fehlerfrei und gut funktionieren hätte Apple genau das tuen sollen. Launchpad einfach weglassen.

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Moritz Machner

Mitbegründer von 42he. Technischer Kopf und Chefentwickler mit Passion für schlanke Designs.