Glosse: Das Lastenheft ist überholt – Probefahren ist heute kostenlos und einfach

von Moritz Machner am 21.5.2012

Die Anschaffung einer Software ist wie bei jedem anderen Produkt immer ein Kompromiss. Am schwersten ist sicherlich ersteinmal einzuschätzen, was man überhaupt benötigt. Dieser Findungsprozess ist dann eine Mischung aus Politik und Unsicherheit. Wenn man mal jeden im Unternehmen fragt, was er sich wünschen würde, dann das alles summiert - und sicherheitshalber noch mal 50% Kriterien oben aufschlägt (man weiß ja nie), dann bekommt man unter Garantie einen sehr langen Kriterienkatalog.

Bei dem Lesen des kompletten Dokuments - des Lastenheftes - rauft man sich die Haare und schüttelt nahezu durchgehend den Kopf. Da werden seitenweise die abstrusesten Anforderungen heruntergeschrieben - es versteht sich von alleine, das natürlich 90% “K.O.-Kriterien” sind. Ohne die geht gar nichts, sie sind in jedem Fall essentiell für den ganz individuellen Prozess in der Firma. Im Umkehrschluss heißt das, dass man als Anbieter direkt raus ist, sobald das Kriterium nicht erfüllt. Ein Glück, dass die Vielzahl der Kriterien so schwammig formuliert sind, dass ein jeder ruhigen Gewissens den Haken setzt.

Doch zurück zu den Kriterien. Schon nach der ersten Seite wird einem klar, dass das gewünschte Produkt unbedingt auf Systemen von Microsoft arbeiten muss und eine feingranulare Rechteverwaltung mitbringen muss. Alles andere hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht nur den Untergang des Unternehmens, sondern auch den Untergang des Abendlandes zur Folge. Ein Schelm wer sich fragt, ob man den Kriterienkatalog nicht vielleicht sogar mit einem Produkt im Kopf heruntergeschrieben hat. Schließlich kann man als Entscheider in großen Unternehmen nie zur Rechenschaft gezogen werden, wenn man Microsoft, IBM oder heute Lenovo kauft. Wenn man auf den Industriestandard setzt und das Projekt dennoch in die Hose geht müssen höhere Mächte am Werk gewesen sein...

“One size fit’s all” Anbieter - alles für jeden, aber nichts richtig

Natürlich gibt es auch Hersteller, welche sich darauf spezialisiert haben, solch komplexe Anforderungskataloge zu erfüllen. Diese bieten meist ein eh schon gigantisches Produkt an, welches dann zusätzlich noch genau auf die Wünsche des Kunden angepasst, neudeutsch Customized wird. Nun könnte man denken, dass dieses ja die Ideale Lösung sein müsste, mit der jeder glücklich sein sollte. Aber genau das ist ein Trugschluss. In seinem Bestreben keine Kompromisse eingehen zu wollen, ist man den größten Kompromiss von allen eingegangen: Komplexität. Das geschaffen Frankensteinprodukt ist sicherlich von niemandem mehr zu benutzen, die Wartungskosten werden astronomisch sein, eine Erweiterbarkeit und damit Innovation ist so gut wie ausgeschlossen.

Probieren geht über studieren

Glosse hin oder her - Anstatt allzu viel Zeit in die Sammlung aller erdenklichen K.O.-Kriterien zu stecken empfehlen wir die Probefahrt mit einigen der relevanten Systeme. Bei SaaS (Software as a Service) Angeboten wie den unseren ist dies ohnehin problemlos möglich. Aber auch bei anderen Installationsarten gilt: wenn der Anbieter nicht in der Lage oder gewillt ist eine “Probefahrt” zu machen, dann sind Sie mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bei einem der oben genannten One size fits all Anbieter, der nur auf die Erfüllung Ihrer Kriterienliste wartet (Abrechnung auf Stundenbasis, versteht sich von alleine).

Bei einem Autokauf bestehen wir doch auch auf die Probefahrt und gucken uns das Reserverad an - warum also sollten wir uns bei Software auf das Prospekt verlassen? Außerdem wird man mit jeder Probefahrt schlauer, hat ein besseres Gefühl für das was geht und "üblich" ist.

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Moritz Machner

Mitbegründer von 42he. Technischer Kopf und Chefentwickler mit Passion für schlanke Designs.