Appell für Bootstrapping und gegen die verzerrte Wahrnehmung in Startups und Presse

von Moritz Machner am 30.8.2011

Wir sind eine sogenannte „bootstrapped company“, aber was bedeutet das eigentlich? Nach der englischen Redewendung "pull oneself over a fence by one's bootstraps" bedeutet bootstrapping etwas aus eigener Kraft zu schaffen. Im Falle eines Startups bedeutet bootstrapping also ohne externe Finanzierung und aus eigener Kraft zu wachsen.

Bootstrapping ist im Gegensatz zur landläufigen Meinung auch keine neue Mode, sondern eigentlich der klassische Weg. Alle großen, alt eingesessen Unternehmen, nicht nur der IT Branche, sind irgendwann einmal aus kleinen Familienbetrieben oder auch aus zwei Tüftlern in einer Garage hervorgegangen. Im Gegensatz hierzu ist es - gerade in der IT - irgendwann Mode geworden, einen anderen Weg einzuschlagen, nämlich mit Risikokapital zu gründen. Man könnte jetzt fragen, was schlecht an einem Start mit einer ordentlichen Finanzspritze an Venture Capital (VC) ist? Aus meiner Sicht einiges.

Anfang des Jahrtausends konnte man die Nachteile glaube ich besonders schön beobachten, als die sogenannte „Dotcom Blase“ platze. Was war dort passiert?

Viele Unternehmen wurden in den Jahren zuvor mit VC gegründet und irgendwann an die Börse gebracht, denn der Kapitalgeber möchte ja irgendwann auch sein Geld zurück haben. Als sich dann herausstellte, dass viele dieser Unternehmen kein tragfähiges Geschäftsmodell besessen haben, sanken die Börsenkurse ins bodenlose. Viele Unternehmen gingen pleite. Wenn man eben nur von Investments lebt und selbst keinen eigenen Gewinn erwirtschaftet, ist nur eines früher oder später vorprogrammiert: die Insolvenz. Aber warum hatten diese Unternehmen keinen eigenen Einkünfte erwirtschaftet? Ganz einfach: weil sie keinen Anlass dazu hatten. Geld kam ja durch die Investoren genug rein und auch die Gründer dieser Unternehmen haben sicherlich gutes Geld verdient. Wobei verdient jetzt nicht das richtige Wort ist, weil verdient wurde ja bekanntlicherweise nichts.

Neues Spiel, neues Glück

Nun muss man auch nicht 10 Jahre zurückschauen, denn das Spiel läuft ja bereits wieder auf Hochtouren. Man muss nur mal nach Berlin Mitte gucken und findet dort genug Firmen, welche exakt NULL Euro verdient haben, dafür aber im schicken Loft sitzen, sich Gehälter zahlen und ihre Produkte verschenken. Erstaunlicherweise sieht das die Fachpresse auch besonders unkritisch. Da werden solche Unternehmen dann am laufenden Band „gefeatured“, weil die Fotostory vom netten Loft den Lesern ja sicherlich gefällt. Und warum gefällt es den Leuten solche Berichte zu lesen? Nunja. Wer mag nicht den, der das Freibier ausgibt?

Wir haben uns aus vielen Gründen dafür entschieden, aus eigener Kraft zu wachsen. Wir möchten das beste Produkt für unsere Kunden und nur diesen gegenüber Rechenschaft ablegen. Taktische Marketingspielchen und ähnliches sind uns daher ziemlich fremd. Kundenorientierung ist uns wichtiger als irgendwelche Kapitalgeber glücklich zu stimmen.

Bootstrapping als Strategie für Startups mag sicherlich einige Nachteile haben - lange Arbeitszeiten oder eben auch der Verzicht auf den ein oder anderen Luxus. Aber wenn man morgens beim Bäcker steht und seine Brötchen bezahlt, dann weiß man - wie der Bäcker übrigens auch - dass man sein Geld ehrlich und hart verdient hat. Und Bootstrapping hilft einem als Startup den Fokus zu behalten.

Wer bootstrapped denn alles von unseren Lesern?

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Moritz Machner

Mitbegründer von 42he. Technischer Kopf und Chefentwickler mit Passion für schlanke Designs.