Unabhängigkeit im SaaS Geschäft: Worauf kommt es an?

von Axel von Leitner am 19.8.2014
Heute will ich daher beschreiben, wie man in unserem Geschäft - Software-as-a-Service - unabhängig bleiben kann. Sowohl als Firma, als auch als Teammitglied. Unabhängigkeit heißt für uns in erster Linie, frei in den Entscheidungen zu Produkten und Firma zu sein, aber auch unabhängig in der Art und Weise wie, wo und wann wir arbeiten.

Grundvoraussetzung: Hart bleiben & keine Extrawurst

Im Gegensatz zu vielen SaaS Diensten, mit denen ich - sei es befreundet oder im geschäftlichen Verhältnis - in Kontakt bin, sind wir ziemlich strikt, wenn es um Sonderwünsche geht. Und damit meine ich nicht nur die Umsetzung von Featurewünschen einzelner, meist größerer Kunden - dem Kardinalfehler im SaaS Geschäft. Ich meine gerade auch solche Extrawürste, von denen die (anderen) Kunden nicht direkt etwas mitbekommen. Also zum Beispiel individuelle Pakete, die man auf Nachfrage bereit hält, um dem Kunden so ein total individuelles Angebot zu machen. 

Beispiele dafür?

  • Unsere Firmenpolicy ist es, dass niemand bei uns abbuchen darf. Wir machen nur Überweisung, ansonsten kommen wir leider nicht zusammen. 
  • Euer Paket Team für 19 Euro hat Platz für 3 Nutzer und 1.000 Kontakte. Mit den Kontakten kommen wir hin, wir brauchen aber 5 Nutzer. Das nächstgrößere Paket hat direkt 10 Nutzer und kostet 39 Euro. Können wir ein Paket dazwischen bekommen? 
Diese Art von Extrawurst schleicht sich schnell ein und ehe man sich versieht, ist es normal, dass ein Teil der Neukunden individuelle Pakete verhandelt. Außerdem ist es jawohl kein Problem einmal im Monat aufs Konto zu gucken und die paar Überweisungen manuell zu vermerken. Doch, ist es. 

Eine Extrawurst kommt selten alleine und mit zunehmender Skalierung und Kundenzahl geht ein beträchtlicher Teil der Zeit für das Ausbügeln der individuellen Absprachen drauf. Um bei dem Beispiel der individuellen Pakete zu bleiben: Es hat ja einen Grund, warum zwischen unseren Pakete etwas Luft ist (z.B. was die Zahl der Nutzer betrifft). Denn was wird passieren, wenn der Kunde mit dem individuellen 5-Nutzer Paket in zwei Monaten zwei Praktikanten einstellt? Richtig, er wird sich wieder melden und wird nach einem 7-Nutzer Paket fragen. 

Ein anderes Beispiel habe ich bei einem SaaS-Dienst erlebt, den wir selbst zur Überwachung unserer Server nutzen. Auch dort gibt es feste Pakete mit festen Preisen. Das Vertriebsteam hat allerdings keinen Zweifel daran gelassen, dass man in jedem Fall eine individuelle Lösung findet. Das Ende vom Lied: Anstatt der knapp 500 Euro monatlich, wie für unser Paket angesetzt, zahlen wir knapp 80 Euro. Und Ihr wollt nicht wissen, welch selbst provozierter Support-Albtraum das aus deren Sicht war. 

Auch wenn es (gerade am Anfang) schwer fällt, Kunden (vermeintlich) vor den Kopf zu stoßen - langfristig ist es das Beste für ein SaaS-Geschäft. Auch wir haben das in Ausnahmefällen gemacht, sind dann aber schnell davon abgekommen. 
Natürlich möchte der einzelne Kunde gerne eine individuelle Bezahlung. Langfristig hat er jedoch mehr davon, wenn wir „das“ grundsätzlich nicht machen und uns auf die Entwicklung und den Betrieb konzentrieren. Ansonsten lähmt man die eigene Entwicklung und endet schneller als man gucken kann, mit der Mehrheit aller Kollegen in Support und Vertrieb. Mein Verständnis von einem gesunden, unabhängigen SaaS-Geschäft sieht anders aus. 

Automatisierung wo es nur geht

Nur wenn man die Grundvoraussetzung einhält und sich Extrawürste weitestgehend vom Leib hält, kann man die Automatisierung im eigenen Geschäft wirklich ausreizen und nicht nur oberflächlich umsetzen. Natürlich machen die (funktionierenden) Server bei SaaS-Anbietern die meiste Arbeit im laufenden Betrieb und die Versorgung zusätzlicher Kunden ist selten ein Problem. Hier ist also per se viel automatisiert. Der Engpass bei wachsender Kundenzahl sind der Support und all die kleinen Extrawürste, die man sich ans Bein gebunden hat. Und sind die Sonderbehandlungen und das - Sorry - „in den Arsch kriechen“ einmal in der Firmen-DNA angekommen, bekommt man sie kaum wieder heraus. Wir versuchen daher insbesondere auch den Support zu automatisieren, um das Verhältnis von Kundenzahl zu nötigen Stunden im Support, voneinander zu entkoppeln. Ich will mich später um kein Call-Center und kein immer größer werdendes Support-Team kümmern, welches - tagein, tagaus - dieselben Fragen beantworten muss. Und ich will den Kunden nicht in die Verlegenheit bringen, uns nach banalen Sachen fragen zu müssen. Unser Job im Support ist es, ihm die Lösung auf dem Silbertablett zu präsentieren, ohne dass er lange danach suchen oder das Kontaktformular / Telefon bemühen muss. Wenn wir das schaffen, ist es für beide Seiten von Vorteil. 

Das Ergebnis: Unabhängigkeit

Wenn man den Fokus bei den regelmäßigen Aufgaben klar auf Automatisierung legt und Sonderbehandlungen, die vermeintlich im Interesse des Kunden sind, außen vor lässt, kann es auch mit der Unabhängigkeit gelingen. 
Man erlebt weniger gleiche Tickets, weniger Anfragen zu Sonderwünschen und muss sich auch in ein paar Jahren nicht um den Rattenschwanz davon kümmern. Denn machen wir uns nichts vor: Wenn am Wochenende ein Ticket wartet, dann kann das doch kaum einer von uns bis zum Montagmorgen liegen lassen. Umso schlimmer, wenn man es auch hätte vermeiden können. 
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Axel von Leitner

Mitbegründer von 42he. Beschäftigt sich mit den betriebswirtschaftlichen Dingen und steckt viel Herzblut in Design & Usability. Axel schreibt insbesondere über Produktivität, Design und Startup-Themen.