Softwareentwicklung: “One Thing Good” – oder auch falsch verstandener Minimalismus

von Axel von Leitner am 10.1.2011

Seit einiger Zeit macht sich in der Softwareentwicklung eine neue Philosophie breit. Durch die schlechte Usability vieler großer Programmsuiten ausgelöst denken einige Entwickler, dass kleine Programme mit nur einer Funktion, oft “App” geannnt, das Problem der Komplexität lösen. Gerade in den App Stores, welche auf iPhone und Co zu finden sind, gibt es inzwischen eine Unmenge dieser kleinen Programme, und ja: viele machen “ihre eine Sache” gut.
Wo nun Apple den Appstore auch auf dem Desktop Rechner eingeführt hat, wird dieser Trend auch im täglichen Arbeitsumfeld sichtbar.

Minimalismus, in diesem Fall die Beschränkung auf das Wesentliche, ist ansich ja erst einmal keine falsche Idee, da Komplexität die Bedienung eines Produktes verkompliziert. Man braucht länger das Produkt zu verstehen, der Frust nimmt zu – man möchte ja schließlich nicht die Software ihrer selbst wegen nutzen, sondern eine Aufgabe erledigen. Also ist die Idee, statt 100 Funktionen nur eine in einer Software zu haben ja erst mal nicht schlecht. So kann der Nutzer sich nicht in den 99 anderen für seine Aufgabe ungeeigneten nicht verlieren.

Genau hier ist der Hund begraben: Braucht man eine der anderen 99 Funktionen, braucht man eine zweite App, dann eine dritte und so weiter. Kaum schaut man sich um, hat man das iPhone oder den Rechner mit unzähligen Apps beladen. Nun hat man das Problem exakt eine Ebene höher geschoben. Man muss in der Software nicht die richtige Funktion finden, sondern erst mal die richtige Software. Wenn man mehrere Sachen mit seiner Datei machen möchte, kommt noch hinzu, dass diese natürlich auch jeweils immer erst in der einen App gespeichert werden muss, in der zweiten geöffnet…

Weniger ist mehr, aber zu wenig reicht eben nicht

Wenn man in einer komplexen Welt komplexe Aufgaben erledigen muss braucht man eben auch anständige Werkzeuge und keine kleinen Apps. Natürlich gibt es genügend Beispiele für beängstigend schlechte Usability und völlig überladene Programme. Eine Grund dafür ist, dass man einfach “mehr” haben muss als der Wettbewerber. Ein anderer kann darin liegen, das gutes Design einfach von vielen Programmierern nicht als wichtig beachtet wird. Das macht dann später mal die andere Abteilung obendrauf.
 Unsere Meinung ist, dass man mächtige und hoch funktionale Werkzeuge nur mit gutem Design erstellen kann. Nicht jedes Feature ist gleich wichtig, manche sind mehr, weniger oder gar nicht wichtig. Daher legen wir jedes Feature erst einmal auf die sprichwörtliche Goldwage. Dem entsprechend kommt es prominent, weniger prominent, oder auch garnicht in das Produkt. So hat der Nutzer alle wichtigen, häufig genutzten Funktionen direkt an der Hand, seltener genutzte sind zwar vorhanden, aber im Hintergrund, damit sie den Blick auf das Wesentliche nicht versperren.
Eine Designvorstellung des Features ist daher auch zu Beginn essentiell wichtig: Wie ist es gestaltet? Wo macht es am meisten Sinn? Wie verträgt es sich mit seiner Umgebung?

Diese Form von “pragmatischem Minimalismus” soll dem Nutzer unserer Software ein mächtiges Werkzeug an die Hand geben, weil das Geschäftleben ist eben keine “eine Funktion Welt” ist. Die Benutzbarkeit und Erlernbarkeit gegenüber 100 Einzelapps ist dabei deutlich besser.

Ich werde jetzt erst mal mein iPhone aufräumen…

LinkedInFacebook

Axel von Leitner

Mitbegründer von 42he. Beschäftigt sich mit den betriebswirtschaftlichen Dingen und steckt viel Herzblut in Design & Usability. Axel schreibt insbesondere über Produktivität, Design und Startup-Themen.