Telekom Hybrid: Datenturbo auf dem Land? Ein Erfahrungsbericht

von Axel von Leitner am 17.7.2015
Als ich Ende letzten Jahres aus Köln in eine Kleinstadt - aka “aufs Land” - ziehen wollte, war der verfĂŒgbare Internetanschluss fĂŒr mich als SelbststĂ€ndiger immer ein Thema. Wir haben uns HĂ€user angesehen, bei denen maximal eine 1.000er DSL Leitung (1 MBit/s oder 1.000 kbit/s) möglich gewesen wĂ€re, und haben diese HĂ€user auch deshalb von vornherein ausgeschlossen. Als selbstĂ€ndiger Software-Anbieter arbeite ich mindestens drei Tage pro Woche von Zuhause und bin ohne eine stabile UND halbwegs schnelle Leitung ziemlich gehandicapped. 

Obwohl ich auf die verfĂŒgbare Internet-Anbindung geachtet habe, war am Ende nur eine 6.000er RAM Leitung drin. Man kann sich das Haus ja nicht NUR anhand der Internet-Leitung aussuchen ;-)
Angekommen sind in der Regel ungefĂ€hr 5-6 Mbit/s und lag schon ĂŒber dem, was man mir prophezeit hatte. FĂŒr ein bisschen Surfen, Audio-Streaming und Co. klappte das auch schon recht solide. Allerdings ĂŒbertragen wir fĂŒr die Arbeit regelmĂ€ĂŸig grĂ¶ĂŸere Datenmengen und nutzen Screensharing oder Videotelefonie. 

Das neue Hybrid Angebot der Telekom kam mir insofern sehr gelegen. Hybrid bedeutet im Falle eines Internet-Anschlusses, dass nicht nur der regulĂ€re DSL-Anschluss mit einem Kabel in der Erde, sondern zusĂ€tzlich die LTE-Funktechnik genutzt wird. LTE kennt man ansonsten von den mobilen GerĂ€ten und es ist die zur Zeit schnellste mobile Art der Verbindung, die man bekommen kann. Damit erreicht man in GroßstĂ€dten teilweise ĂŒber 100Mbit pro Sekunde. “Auf dem Land” versucht die Telekom mittels LTE Kosten beim verlegen der Breitbandkabel zu sparen. Denn natĂŒrlich ist es gĂŒnstiger, alle x Kilometer einen Sendemast zu errichten, als jede noch so kleine Straße zu öffnen und neue Kabel zu verlegen. Auf dem Land kann man deshalb mit LTE Geschwindigkeiten bis zu 100Mbit pro Sekunde erzielen bestellen. In jedem Fall erzielt man jedoch ein Vielfaches der meisten Telekom DSL-AnschlĂŒsse. 

Ich hatte also wenig zu verlieren, denn im schlimmsten Fall wĂ€re die Hybrid-Technik nur unwesentlich schneller als meine normale Festnetz Leitung. Ich entschied mich fĂŒr den “Magenta Zuhause Hybrid M Tarif” mit maximal 50 MBit/s im Download. Mehr kommt einige Kilometer Luftlinie entfernt vom Sendemast ohnehin nicht mehr an. 

Wie funktioniert die Mischung aus lokaler Leitung und Mobilfunk? 

Wann und wie genau die Kombination beider Verbindungen funktioniert, liegt verborgen im Speedport Hybrid Router. Die Telekom erklĂ€rt nur, dass die LTE Leitung bei Bedarf zugeschaltet wird. Die klassischen Beispiele sind Videostreaming oder grĂ¶ĂŸere Downloads. Wenn hingegen nur kurz E-Mails abgerufen werden, reicht dafĂŒr auch die klassische Leitung. Was genau “bei Bedarf” bedeutet, findet man jedoch nicht heraus. Die Telekom wird aber vermutlich noch externe Faktoren, wie die aktuelle Auslastung am Funkmast oder Ă€hnliches berĂŒcksichtigen. Was eine Drosselung der Geschwindigkeit ab einer gewissen Datenmenge angeht, so kann ich aktuell nichts dergleichen berichten. Das deckt sich mit den sonstigen Berichten, die ich zu diesem Thema im Netz gefunden habe. Ich vermute also, dass es vorerst keine EinschrĂ€nkung gibt. Das allein ist eine große Überraschung, wenn man den sonstigen Kurs der Telekom verfolgt. 

Aufbau & Einrichtung von Telekom Hybrid

ZunĂ€chstmal dauerte es rund zwei bis drei Monate, bis alle nötigen Unterlagen eingetroffen waren. In meinem Fall fehlte einfach noch die SIM Karte. Der Router stand da schon ĂŒber einen Monat in der Ecke. Heute schreibe ich das recht nĂŒchtern. Damals, nach ettlichen notwendigen Telefonaten, war ich schon kurz davor alles abzublasen. Fairerweise muss man dazu sagen, dass ich wohl einen der ersten Hybrid-AnschlĂŒsse ĂŒberhaupt bestellt habe. Im Call Center wusste anfangs noch niemand Bescheid, eine Routine beim Setup existierte einfach nicht. 

Der Aufbau ist ansonsten kaum anders, als bei einem normalen Festnetz-Router. Lediglich die SIM-Karte fĂŒr den Mobilfunkempfang muss noch eingesetzt werden. Der war bei mir zu Beginn auch sehr gut, das heißt die Messung zeigte fast den vollen Ausschlag. Der Router stand an der Hausseite, die dem nĂ€chsten Sendemast zugewandt ist und direkt unterhalb eines Dachfensters. Die beste Position im Haus lĂ€sst sich mit der LTE-Abdeckungskarte der Telekom recht schnell recherchieren oder eben durch ausprobieren finden. 

Leistung

So gut der Hybrid Tarif auch klingt, die volle LTE Geschwindigkeit erreicht man nur im optimalen Fall, also wenn man direkt vor dem Mast sitzt, die Sonne scheint und sonst alle Menschen in der Umgebung ihre GerĂ€te im Flugmodus haben. Fast jedenfalls. Zu Beginn empfing ich Geschwindigkeiten von 30.000-40.000 kbit/s, der heutige Speedcheck ergibt Download-Geschwindigkeiten von ca. 15.000 und Upload-Geschwindigkeiten von 6.000 kbit/s. Das zeigt ziemlich deutlich, wie sehr die Geschwindigkeit schwankt. Zumindest teilweise hĂ€ngt die Geschwindigkeit sicher auch mit dem schwankenden Empfang zusammen, denn obwohl der Hybrid Router immer an derselben Stelle im Zimmer steht schwankt der Empfang zwischen 3 und 5 Strichen. Das wĂ€re eine Sache, die ich sicher mit einer externen Antenne fĂŒr den Router (Amazon Link) stabilisieren könnte und vielleicht mache ich das demnĂ€chst auch mal. Die Antenne muss dabei ĂŒbrigens nicht tatsĂ€chlich außen am Haus angebracht werden, auf dem Dachboden wĂŒrde je nach Dach wahrscheinlich schon völlig ausreichen, da die EmpfangsstĂ€rke höher und die Antenne besser positioniert werden kann. 

Auch ohne die externe Antenne und verglichen zu der mir bisher verfĂŒgbaren Leitung sind 15 MBit/s aber bereits eine Verdreifachung, im Upload sieht es noch besser aus. Diese Differenz macht fĂŒr meine Arbeit den Unterschied zwischen “geht zur Not” und “funktioniert reibungslos”. Konkret hatte ich vor der Umstellung auf Hybrid ziemliche Probleme beim Screensharing, mit der Hybrid-Leitung klappt das in der Regel ganz gut. 
Dass ich deutlich lieber einen Kabelanschluss mit der daraus resultierenden Geschwindigkeit und Konstanz hÀtte, ist wahrscheinlich jedem klar. Wer aber wie ich keine Alternative zur Telekom-Leitung hat, erzielt durch die Hybrid Technik eine deutliche Verbesserung. 

Eine EinschrĂ€nkung muss ich noch machen, sie betrifft allerdings nur Programmierer: Ich hatte zu Beginn Probleme bei der Arbeit mit Bitbucket & Github sowie bei Deployments. Bei den gegenĂŒberliegenden Servern klingelten offenbar die Alarmglocken, weil ich mich mit zwei verschiedenen Leitungen gemeldet habe. Nur so kann ich mir erklĂ€ren, dass die Probleme ausschließlich bei meinem Hybrid Anschluss auftraten. In den Einstellungen des Speedports kann man aber fĂŒr bestimmte Seiten oder Dienste Ausnahmen festlegen, so dass der Datenverkehr dorthin ausschließlich ĂŒber die DSL-Leitung geschickt wird, und nicht ĂŒber LTE. ZunĂ€chst half auch das nicht und ich musste immer mal auf Tethering ĂŒber das Handy ausweichen, doch nach einigen Wochen waren die Probleme plötzlich beseitigt. Dies zeigt ebenfalls, dass an der Technologie noch hier und da geschraubt wird. 

Kosten

Als ich mich fĂŒr den Hybrid Anschluss vormerken ließ, standen die Preise noch nicht fest. Insofern war ich gespannt, wo die Telekom den Tarif positionieren und wie sie ihn ausgestalten wĂŒrde. Dass die Telekom dann laut Vertrag weder Drosselung noch LTE-Limit plante, ĂŒberraschte nicht nur mich, sondern die gesamte Presse. Ebenso positiv ĂŒberrascht war ich von dem relativ gĂŒnstigen Preis. Die Flat mit Downloads bis zu 50 MBit/s (Uploads 10 MBit/s) kostet monatlich 34,95 Euro (5 Euro mehr nach 24 Monaten). Hinzu kommt der “Speedport Hybrid” mit monatlich 9,95 Euro oder eben fĂŒr einmalig ca. 280 Euro bei Amazon. Ich bin grundsĂ€tzlich kein Freund von den Speedport-GerĂ€ten, habe aber mangels Alternativen erst einmal den genannten bestellt und nach knapp 2 Jahren bin ich bislang doch erstaunlich zufrieden. 

Fazit & Ausblick

LTE ist eine Technologie per Funk und verhĂ€lt sich so, wie man es von Großveranstaltungen kennt: Wenn zu viele Leute an einem oder wenigen Funkmasten “saugen”, dann geht das selten gut. Es bleibt also abzuwarten, wie stabil und schnell der Empfang bleibt, falls mehr und mehr Haushalte in KleinstĂ€dten zweigleisig fahren. Wenn es nach der Telekom geht, soll das bald der Fall sein. Um die Hybrid-Werbung im Bergischen Land kommt man jedenfalls nicht mehr herum. Noch mache ich mir als einer der ersten Hybrid-Nutzer aber ehrlich gesagt keine allzu großen Sorgen. Kaum einer aus meinem Bekanntenkreis ist bereit auch nur einen kleinen Mehrpreis fĂŒr den Hybrid-Anschluss zu zahlen. Und das, obwohl die Differenz aktuell “nur” bei 10 Euro monatlich liegt (5 Euro mehr fĂŒr den Anschluss, 5 Euro mehr Miete fĂŒr den Hybrid Router). FĂŒr unsere Firma und meine Nerven sind diese 10 Euro jedoch gut investiertes Geld. 
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Axel von Leitner

MitbegrĂŒnder von 42he. BeschĂ€ftigt sich mit den betriebswirtschaftlichen Dingen und steckt viel Herzblut in Design & Usability. Axel schreibt insbesondere ĂŒber ProduktivitĂ€t, Design und Startup-Themen.